Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1 sollen am Donnerstag abgeschlossen sein, bevor wieder Gas fließen kann. Spekuliert wird über eine angeblich notwendige Turbine.

Ob ab Donnerstag wieder Erdgas durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 fließen wird, ist ungewiss. Die Wartungsarbeiten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1, der wichtigsten Versorgungsleitung von Russland nach Deutschland, sollen an diesem Donnerstag, 21. Juli, abgeschlossen sein. Doch eine Turbine von Siemens Energy, die Kanada wegen der Sanktionen nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine lange zurückgehalten hat, fehlt nach Angaben des russischen Konzerns Gazprom noch immer.

Der russische Gazprom-Konzern hat Siemens am Samstag gebeten, die reparierte Turbine nach Kanada zurückzusenden, um den Weiterbetrieb der Pipeline von Russland nach Deutschland sicherzustellen. Die Turbine ist wichtig für die Verdichterstation Portovaya, die wiederum für den Betrieb von Nord Stream 1 unerlässlich ist, sagte Gazprom.

Wo steht die Turbine gerade?

Es wurde nicht angegeben, wo sich die Turbine befand und wann sie installiert werden würde. Der Hersteller Siemens Energy wollte heute keine Angaben zur aktuellen Lage machen. Es bleibe “unser Ziel, die Turbine so schnell wie möglich an ihren Einsatzort zu bringen”, sagte er auf Nachfrage in München. Konkrete Angaben zum aktuellen Standort des Bauteils machte die Bundeskasse am Mittag auch nicht.

Die russische Zeitung „Kommersant“ berichtet unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen, dass die Turbine repariert und am Sonntag per Flugzeug von Kanada nach Deutschland geliefert wurde. Wenn es keine Probleme mit der Logistik oder dem Zoll gebe, werde es weitere fünf bis sieben Tage dauern, bis die Turbine Russland erreicht, behauptet Kommersant. Dann wäre schon jetzt klar, dass der Termin am Donnerstag nicht möglich sein wird.

Wie wichtig ist die Turbine wirklich?

Das Bundesfinanzministerium widerspricht derweil der Darstellung von Gazprom, die Turbine sei ein notwendiges Bauteil. wahrscheinlich nur eine Ersatzturbine. „Das ist eine Ersatzturbine für den Einsatz im September“, sagte ein Ministeriumssprecher. Es war eine Entschuldigung von russischer Seite, dass der Erdgasfluss durch die Pipeline Nord Stream 1 wegen der Wartung dieser Turbine eingeschränkt werden musste.

Auch Äußerungen aus dem Hause von Bundesfinanzminister Robert Hambeck (Grüne) legen nahe, dass die Wiederaufnahme der Erdgaslieferungen eigentlich nicht davon abhängig sein sollte, wann das Bauteil in Russland eintrifft. Beobachter halten es jedoch für wahrscheinlich, dass Gazprom die Wiederaufnahme der Erdgaslieferungen zumindest verzögern wird, da eine Turbine fehlt.

Dreht Gazprom den Gashahn wieder auf?

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Franziska Brandner (Grüne), betonte vor wenigen Tagen gegenüber der Nachrichtenseite “ntv.de”, dass die aktuellen Lieferkürzungen rein politische und keine technische Grundlage hätten.

Denn seit dem 11. Juli ist wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr durch Nord Stream 1 geflossen. Ob Russland nach Abschluss der Arbeiten den Gashahn wieder aufdreht, bleibt abzuwarten. Bereits vor Beginn der zehntägigen Wartungsarbeiten hatte Gazprom den Erdgasfluss durch die Pipeline um 60 % gedrosselt. Dies trieb die bereits hohen Gaspreise in die Höhe.

Uniper zieht Milliardenkredit von der KfW

Der durch Preistreiberei in Bedrängnis geratene Energieversorger Uniper nimmt nun einen milliardenschweren Kredit der staatlichen Förderbank KfW in Anspruch. „Uniper hat heute die bestehende KfW-Kreditfazilität in Höhe von zwei Milliarden Euro in Anspruch genommen und damit die Fazilität vollständig ausgeschöpft“, teilte der Konzern heute mit.

Wie lange die Mittel reichen, hängt laut einem Vertreter von Uniper von der weiteren Entwicklung des Erdgasmarktes ab. Uniper stehe in engem Kontakt mit seinen Banken und der Bundesregierung, betonte er. Ziel ist die finanzielle Stabilisierung des Unternehmens. Uniper hatte die Bundesregierung um Hilfe gebeten, derzeit laufen Gespräche über eine staatliche Rettungsaktion.

BDI: Passen Sie die Gaszufuhr an

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, erwartet für Deutschland „eine langfristige Gasknappheit“. Es erfordert, dass die Gasversorgung im Falle eines Engpasses neu organisiert werden muss. „Die aktuellen Priorisierungsregeln bei Gasknappheit wurden für die kurzfristige Störung einzelner Leitungen geschaffen“, sagte er heute.

„Die Politik in Berlin und Brüssel muss eine neue Regelung für die harte neue Energiewirklichkeit schaffen. Diese muss alle Teile der Gesellschaft für ihre Leistungsfähigkeit in die Pflicht nehmen.“ Jetzt zähle “jede an Gas und Strom eingesparte Kilowattstunde”, sagte er. “Neben Unternehmen, Kommunen und Ländern müssen auch private Verbraucher Teil der massenhaften Energiesparoffensive werden.”

Steht die Gasturbine in Deutschland? – Die Bundesregierung hält sich bedeckt

Dietrich-Karl Mäurer, ARD Berlin, 18.7.2022 13:04 Uhr