Stand: 11.07.2022 06:00 Uhr                 

Durchgesickerte Dokumente aus Ubers Akten deuten darauf hin, dass das US-Unternehmen Hilfe von deutschen Wissenschaftlern erkaufen wollte. Vor allem ein berühmter Ökonom steht im Rampenlicht. Von Petra Blum, Andreas Braun, WDR, Catharina Felke, Benedikt Strunz, NDR

Ab wann verstricken sich Wissenschaftler so sehr in ihre persönlichen Interessen, dass sie mit ihrer professionellen Rolle als neutrale und unabhängige Forscher in Konflikt geraten? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit verschiedene Mitarbeiter der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Grund dafür ist ein Datenleck von mehr als 124.000 vertraulichen Dokumenten, das zeigt, wie der Transportdienstleister Uber international versucht hat, die öffentliche Meinung und Gesetzgebung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Die Uber-Dateien Die Uber-Akten bestehen aus mehr als 124.000 vertraulichen Dokumenten, die eine anonyme Quelle dem Guardian zugespielt hat. Insbesondere dokumentieren sie die Lobby-Praktiken und internen Bemühungen des amerikanischen Unternehmens von 2013 bis 2017, einer Zeit, in der Uber weltweit aggressiv expandierte. Koordiniert vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und dem Guardian hat ein internationales Team von mehr als 180 Journalisten in den letzten Monaten die Aufzeichnungen von Uber überprüft. „Le Monde“, „Washington Post“, „Indian Express“, „El Pais“ und viele andere nahmen an der Umfrage teil. In Deutschland arbeiteten Journalisten von NDR, WDR und “Süddeutscher Zeitung” an den Uber-Akten.

Wie ein Bulle für Uber

Auch der Name Justus Haucap, einer der bekanntesten Ökonomen Deutschlands und Pionier an der Universität Düsseldorf, wo er Wirtschaftsprofessor ist, taucht in den Uber-Akten auf, einem Bündel von Verträgen, vertraulichen E-Mails, Chat-Nachrichten, Briefings und Präsentationen.

Haucap gilt als Koryphäe auf seinem Gebiet. Er war mehrere Jahre Vorsitzender der Deutschen Monopolkommission und ist ein gern gesehener Interviewer und Redner. Vor allem gilt Haucap, der auch häufig für die arbeitgeberfinanzierte Interessenvertretung Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) publiziert, als Verfechter einer radikalen Wettbewerbspolitik.

Für Uber muss der liberale Ökonom wie ein Erfolg ausgesehen haben. Zumal sich Haucap zuvor unabhängig von Uber positiv zur Liberalisierung des Taximarktes geäußert hatte. Von Uber bezahlte Lobbyisten um den aktuellen FDP-Bundestagsabgeordneten Otto Fricke jedenfalls begannen 2014 damit, für Haucap zu werben. Das zeigen Uber-Rekorde.

Studienauftrag für Uber

Nach einem Treffen Anfang Oktober 2014, das laut Uber-Vertretern in einer „angenehmen und produktiven Atmosphäre“ stattfand, übersandte Haucap Uber das Angebot für eine Studienarbeit mit dem Titel „Consumer Benefits of Unbundling Taxi Purchase in Germany“. , Kostenart: 44.000 Euro. Die Studie sollte von der DICE Consult GmbH und der DIW Econ GmbH – einem Tochterunternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) – erstellt werden.

Die DICE Consult GmbH arbeitet eng mit einem Institut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zusammen. Haucap ist Partner der DICE Consult GmbH. Das Angebot enthält nicht nur eine Gliederung, sondern auch einige überraschend detaillierte Informationen über das zu erstellende Studium.

Beispielsweise wird in Kapitel fünf der Studie darauf hingewiesen, dass nicht nur die Wohlfahrtsvorteile der Liberalisierung des Taximarktes geschätzt, sondern auch andere Vorteile wie „höhere Sicherheit, bessere Anpassung an unterschiedliche Verbraucherwünsche, Bequemlichkeit usw. “ und weiter: „Die Implikationen der Analyse – eine Reform der Verordnung – werden dann in Abschnitt 6 erörtert.“

Mitarbeiter der DICE Consult GmbH und der DIW Econ GmbH erklärten auf Nachfrage, die Arbeiten seien eigenständig und „letztlich ergebnislos“ durchgeführt worden. „Wissenschaftliche Standards sind bei dieser Arbeit von uns nie vernachlässigt worden.“

4000 Euro für einen Zeitungsartikel

Das Angebot von Haucap an Uber ging jedoch noch weiter. In der besagten E-Mail, die NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) eingesehen haben, bot der Ökonom dem amerikanischen Konzern zudem an, einen Zeitungsartikel zu veröffentlichen, in dem die „positiven Auswirkungen auf die Verbraucher“ eines liberalisierten Taximarktes untersucht würden. Hier würden die Kosten bei rund 4000 Euro liegen.

Ein Uber-Mitarbeiter bemerkte, Haucap habe erklärt, dass „die Frankfurter Allgemeine Zeitung [Haucap] Dafür wäre im November Platz.“ Ein Mitarbeiter der DICE Consult GmbH sagte auf Nachfrage, es sei „nicht die Praxis von Professor Haucap, Auftragsartikel zu erstellen“.

Jedenfalls erschien Anfang Dezember 2014 ein Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), für den Haucap als Autor verantwortlich zeichnete. Es war ein Meinungsbeitrag, in dem der Ökonom über eine mögliche Liberalisierung des Taximarktes diskutierte. Unter dem Titel „Liberalizing Taxi Fares“ pries Haucap nicht nur die wirtschaftlichen Vorteile der Sharing Economy an. „Im städtischen Personenverkehr (…) schont die Sharing Economy auch die Umwelt“, sagt er zum Beispiel. Uber-Kunden können den Fahrer auch bewerten, was dazu beiträgt, „die Servicequalität insgesamt zu verbessern“.

Haucap ließ FAZ-Artikel von Uber genehmigen

Aus einem Schreiben geht hervor, dass die DICE Consult GmbH dem Verkehrsdienstleister Uber zusätzlich 4.000 Euro für die Erstellung eines „Newsletter-Artikels“ sowie die Hälfte der vereinbarten Studiengebühr in Rechnung gestellt hat. Zwischen Haucap und Uber gibt es laut FAZ keine Nebengeschäfte. Bemerkenswert an dem Verfahren ist vor allem, dass Haucap Vorstandsmitglied der FAZIT-Stiftung ist, die auch die Aufgabe hat, die redaktionelle Unabhängigkeit der FAZ zu wahren.

Auf Nachfrage erklärte ein Haucap-Mitarbeiter, dass der Vorgang „heute nicht mehr nachvollziehbar“ sei. Das…