Russland hat seit einigen Jahren Munition – aber ein Problem Russland hat genug Munition und löst sein Personalproblem geschickt. Das glaubt zumindest der britische Militärexperte Jack Watling. Er kritisiert das Vorgehen des Westens bei Waffenlieferungen. Russland befindet sich seit mehr als vier Monaten im Krieg in der Ukraine. Und obwohl Putins Truppen kürzlich die ukrainische Region Luhansk erobert haben, sind viele von der mangelnden Überlegenheit der Invasoren überrascht. Die russische Armee war nach ausbleibendem Erfolg gezwungen, sich aus Gebieten wie Kiew zurückzuziehen, um sich auf die Ostukraine zu konzentrieren. Militärexperte Jack Watling ist sich im Gespräch mit dem „Spiegel“ sicher: „Seit dem Scheitern des Vorstoßes in Kiew herrscht chronischer Personalmangel.“ Laut dem britischen Militärexperten setzen russische Truppen inzwischen Söldner und Freiwillige ein. Aber das ist nicht der einzige Grund. “Es ist weniger politisch kostspielig, wenn sie getötet werden”, erklärt Watling. So konnte das Risiko des Personalverlustes geschickt auf ausländische Kämpfer übertragen werden.

Übergebene Waffen helfen der Ukraine kaum

Der Brite jedenfalls glaubt, dass die russischen Streitkräfte besser dastehen als im Westen angenommen wird. Putins Truppen hätten “ungelenkte Artilleriemunition für die kommenden Jahre”. Das Einzige, was den Russen fehlt, ist Präzisionsmunition. An Material mangelt es nicht. Aber die Russen haben ein anderes Problem. “Die Gefahr liegt in ihrer Logistik.” Das bedeutet wirklich, die Waffen und Munition an die Front zu bringen. Viele Militärexperten glauben, dass westliche Waffenlieferungen der Ukraine einen dauerhaften Vorteil verschaffen können. Jack Watling steht dem jedoch kritisch gegenüber. „Wir haben gesehen, dass Länder fast alles, was sie auf Lager haben, Stück für Stück verschenken“, erklärt der Brite. „Was wir mit Ausnahme einiger weniger Länder nicht gesehen haben, ist die Entwicklung einer einzigen militärischen Fähigkeit von kritischem Ausmaß.“ Watling glaubt, dass viele der Waffen, die aus der Westukraine geliefert werden, nicht nützlich sind. Aufgrund geringer Zahlen setzt die Ukraine dauerhaft Waffen ein. Da man dann aber nicht rotieren kann, ist auch keine Warge-Wartung möglich.

„Ein logistischer Alptraum“

Das Hauptproblem für den Militärexperten seien daher „zu wenig Reichweite und mangelnde Koordination zwischen den Verbündeten“. Da westliche Kriegsmaschinen andere Munition, Ausbildung und Wartungsverfahren erfordern, sei dies „ein logistischer Albtraum“ für die Ukraine. Jack Watling ist sich sicher, dass die Ukraine jetzt in größerem Umfang Nachschub aus dem Westen braucht. Vor allem MLRS-Raketenwerfer und zugehörige Munition sind wichtig. Andernfalls drohe ein langer Zermürbungskampf, “in dem viele ukrainische Soldaten sterben werden”. (obf)