Während die ukrainische Luftverteidigung offenbar gut auf russische Kampfjets vorbereitet ist, fehlt es ihnen an Abwehrkräften gegen Raketen. Die Armee hofft also auf modernere Systeme. Von Palina Milling, WDR Köln, für das ARD-Studio in Moskau
Russland hat offenbar einen der schwächsten Punkte der ukrainischen Luftabwehr entdeckt und nutzt ihn aus. Die Ukraine schafft es, russische Bomber größtenteils von ukrainischem Boden fernzuhalten. Aber gegen Raketen kann es wenig ausrichten. Jetzt setzt Russland also immer mehr darauf.
Der Sprecher des ukrainischen Luftwaffenkommandos, Juri Ignat, sagte, die Ukraine habe mehr als 200 russische Kampfflugzeuge abgeschossen. “Dies zwang sie, die Einsatztaktik ihrer Luftwaffe zu ändern”, sagt er. „Im Moment operiert die feindliche Luftwaffe meist aus der Ferne. Sie fliegen nicht näher, weil sie erkannt haben, dass sie zerstört werden. Deshalb schlagen sie mit Raketen ein – vom Meer, vom Boden und aus der Luft. “ Konfliktparteien als Quelle Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern von offiziellen Stellen der russischen und ukrainischen Konfliktparteien können nach derzeitiger Lage nicht direkt von einer unabhängigen Stelle überprüft werden.
„Wir brauchen moderne Systeme“
Obwohl die Statistiken nicht unabhängig überprüft werden können, scheinen zumindest die Raketenangriffe zugenommen zu haben. Mykolajiw, Dnipro, Chuuyev, Odessa, Vinnytsia – das sind nur einige der Städte, in denen kürzlich Raketen gestartet wurden. Danach überall das gleiche Bild: Brände, Häuser in Trümmern, viele Verletzte.
„Unsere Flugabwehr ist hauptsächlich darauf ausgelegt, Ziele mit einer größeren reflektierenden Oberfläche abzuschießen. Sie werden vom Radar erfasst“, sagte Ignat dem ukrainischen Radio. „Raketen hingegen fallen kaum auf, daher schaffen wir es nicht immer, sie abzufangen. Das ist schwierig für uns. Wir brauchen also moderne Systeme, die solche Ziele treffen können.“
Weiß schattiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schattiert: Separatistische Regionen, die von Russland unterstützt werden. Krim: von Russland annektiert. Bild: ISW/16.07.2022
Die Ukraine wird etwas davon abbekommen, sagt Ignat. Im Moment sind es die NASAMS-Systeme, eine Koproduktion zwischen den USA und Norwegen. Sie haben eine durchschnittliche Reichweite von bis zu 25 Kilometern. “Es gibt eine Anordnung für zwei Batterien, die nicht nur Startsysteme enthalten, sondern auch Fahrzeuge und Zielerfassungsgeräte aufladen und die Systeme betreiben”, sagt Ignat. Eine Batterie des modernsten NASAMS besteht aus zwölf Startsystemen. IRIS-T-Systeme für die ukrainische Luftverteidigung kommen aus Deutschland. Die erste wird im Oktober erwartet.
Offenbar sind weitere Mehrfachraketenwerfer eingetroffen
Auch bezüglich schwerer Artillerie gibt es Neuigkeiten. Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksiy Reznikov twitterte, dass nun weitere Mehrfachraketenwerfer – die sogenannten M270 MLRS – im Land eingetroffen seien. Je nach Ausrüstung können sie zwischen 35 und etwas mehr als 80 Kilometer weit schießen. Seit rund zwei Wochen sind die etwas früher gelieferten HIMARS bei den ukrainischen Streitkräften im Einsatz. Sie konnten nun Dutzende russischer Munitionsdepots, Gefechtsstände und Technikdepots angreifen.
Mit der Lieferung der schweren Artilleriesysteme entbrannte in der Ukraine die Rede von möglichen Angriffen auf die Halbinsel Krim. “Aktuell ist die Halbinsel Krim zu einem Knotenpunkt für den Transfer aller Technologien und Waffen aus Russland in den Süden unseres Landes geworden”, sagt Vadym Skybitskyj, ein Sprecher des ukrainischen Geheimdienstes. “Auf der Krim werden Kampfausrüstung und Munition gelagert, die später an die russische Besatzungsarmee geliefert werden.” Daher schloss Skybyzkyj den Einsatz von M270 und HIMARS auf der Krim nicht aus.
Die Ukraine hofft auf militärische Erfolge, vor allem in den südlichen Regionen. Bisher gibt es keine Anzeichen für einen größeren Gegenangriff der Bodentruppen. Angesichts der neuen Vorräte dürften die Streitkräfte weiterhin russische Waffendepots angreifen. Überblick über den Krieg in der Ukraine
Krieg in der Ukraine: Hoffnung auf Luftabwehr und neue Artillerie offenbar eingetroffen
Palina Milling, WDR, 17.7.2022 12:09 Uhr