Verkehrsminister Wissing begrüßt den Erfolg des 9-Euro-Tickets – und drängt auf bundesweite Nahverkehrstickets. Doch wie genau kann es nach August weitergehen? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Von Kai Küstner, ARD-Hauptstadtstudio
Es war der unangefochtene Lieblingssatz des Bundesverkehrsministers: „Dieses Ticket hat schon jetzt einen festen Platz in den Herzen der Menschen in Deutschland“, wiederholte Volker Wissing zum Start des 9-Euro-Tickets Anfang Juni bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Logo NDR Kai Küstner ARD Hauptstadtstudio Heute klingt der FDP-Politiker noch euphorischer: Wissing nennt die Idee der Ampel mit dem Billigticket für drei Monate einen “fulminanten Erfolg”: Es sei spürbar weniger Verkehr auf den Straßen und deutlich weniger Staus. Grünen-Politikerin Nyke Slawik klingt ganz ähnlich: „Das 9-Euro-Ticket ist schon jetzt ein Höhepunkt unseres Ampelbündnisses.“
Die Linke benötigt eine Verlängerung
Laut Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) kauften bis Ende Juni zehn Millionen Abonnenten und rund 21 Millionen weitere Kunden bundesweit das 9-Euro-Ticket. Doch wie soll es Ende August weitergehen? Und wie verhindert man, dass das Highlight schnell wieder verblasst?
Die Linke fordert eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets bis Ende des Jahres. Und dann dauerhaft niedrige Bus- und Bahnpreise: „Das soll erst einmal das 1-Euro-Ticket sein, also 1 Euro am Tag. Auch wir als Linke fordern, dass Bus und Bahn mittelfristig für Eleftheros möglich sein sollen“, sagte Linken-Chefin Janine Wissler im Bundestag.
Das sind sehr konkrete, wenn auch teure Ideen, die die Sozialdemokraten als “wirklichkeitsfremd” bezeichnen. Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Dorothee Martin, sieht den großen Vorteil des 9-Euro-Tickets in seiner Einfachheit: „Also aufsteigen, weiterfahren, aussteigen – und gut ist.“
Bewerten Sie zuerst und dann die mögliche Verbindungslösung
In eine ähnliche Richtung scheinen die Gedanken von Verkehrsminister Wissing zu gehen, wenn er laut über die Nach-9-Euro-Tarifphase sinniert. Wissing geht es vor allem darum, den deutschen Lohndschungel zu durchbrechen. „Wenn komplizierte Mautzonen wegfallen und Tickets bundesweit gültig sind, wird der öffentliche Nahverkehr viel stärker genutzt“, sagte der FDP-Politiker der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Ob es nach Ablauf des 9-Euro-Tickets Ende August noch günstige Bus- und Bahnangebote gibt, ließ Wissing offen. Alles wird nun erst einmal evaluiert und ab Herbst werden die notwendigen Schlüsse gezogen. „Nutzen wir den Sommer, um eine Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket zu finden“, mahnt Grünen-Politiker Slawyk.
Union bezieht sich auf die ländliche Bevölkerung
Aber wie könnte das aussehen? Wie können sie diejenigen nicht erschrecken, die buchstäblich in Bus und Bahn “eingestiegen” sind? Die FDP schließt eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets fast aus. Das wäre zu teuer.
In der Union ist man ohnehin skeptisch: Die arme Landbevölkerung würde Billigtarife sowieso nicht nutzen, kritisiert der CDU-Reutlinger Bundestagsabgeordnete Michael Donth, bei ihm hält sich in Alb die Begeisterung für das Ticket in Grenzen: „Da reist es sich auch überraschenderweise nicht ein einziger Bus gibt es für 9 Euro im Monat.“
Die vernachlässigte Landbevölkerung, der enorme Nachholbedarf beim Ausbau des Schienennetzes – es gibt viel zu bedenken, wenn die Ampeln im Sommer an die Zeit nach dem 9-Euro-Ticket denken. Und auf die Frage, wie verhindert werden kann, dass es „seinen festen Platz in den Herzen der Menschen“ – wie Wissing formulierte – zu schnell verlässt.
Was kommt nach dem 9-Euro-Ticket?
Kai Küstner, ARD Berlin, 9. Juli 2022 13:53 Uhr