Nach einer 48-stündigen Arbeitsniederlegung im Hamburger Hafen und anderen deutschen Häfen beendeten mehrere tausend Hafenarbeiter am Samstagmorgen ihren jüngsten Warnstreik. Die Gewerkschaft ver.di hatte zu dem Streik aufgerufen, den Druck auf die Arbeitgeber nach sieben erfolglosen Runden wieder zu erhöhen. Bei einem Protestmarsch in der Hansestadt sind am Freitag zehn Menschen verletzt worden, nachdem ein Kundgebungsteilnehmer einen Böller gezündet hatte. Am Rande der Abschlusskundgebung im Besenbinderhof nahe dem Hauptbahnhof nahm die Polizei den Böllerwerfer fest, was die Situation eskalierte. Mehrere Hafenarbeiter belästigten die Beamten. Laut Polizei wurden Flaschen aus der Menge der Demonstranten geworfen. Die Polizei setzte Pfefferspray ein. Fünf Polizisten und fünf Demonstranten wurden verletzt. Im Allgemeinen verlief die Demonstration recht friedlich. An dem Protestzug vom Hauptbahnhof über den Ballindamm zum Jungfernstieg und dann zum Besenbinderhof beteiligten sich nach Angaben von ver.di rund 5.000 Menschen. AUDIO: Hafenstreik: Polizei setzt Pfefferspray gegen Demonstranten ein (1 Minute)
Der schwerste Streik seit mehr als 40 Jahren
Die Hafenarbeiter stellten die Arbeit zu Beginn der ersten Schicht am Donnerstag ein. Der Slogan ihres Protests lautete „Stoppt das Inflationsmonster!“. Mit dem ersten Warnstreik in einer Spätschicht und einem 24-stündigen Warnstreik im Juni summiert sich der streikbedingte Arbeitsausfall auf rund 80 Stunden. Damit ist er der größte Arbeitskampf in Häfen seit mehr als 40 Jahren.
Keine Pause bei Streiks vor Gericht
Arbeitgeber versuchten am Donnerstag, Warnstreiks vor mehreren norddeutschen Arbeitsgerichten mit Hilfe von einstweiligen Verfügungen zu stoppen. Das hat nicht funktioniert. Die Anhörung vor dem Arbeitsgericht Hamburg zeigte jedoch, dass das Gericht Zweifel hatte, ob bei der Streikentscheidung der Beschäftigten alle Formalitäten eingehalten worden waren. Das Ergebnis: Vergleich. Nach diesem Streik sind weitere Arbeitskämpfe bis zum 26. August ausgeschlossen. In Bremen, Oldenburg und Wilhelmshaven wurde der Streik erstinstanzlich von den zuständigen Gerichten bestätigt.
Westhagemann beantragt Schlichtungsverfahren
Hamburgs Finanzsenator Michael Westhagemann (parteilos) hat unterdessen Gewerkschaft und Arbeitgeber aufgefordert, einem Schlichtungsverfahren zuzustimmen, das ver.di bisher abgelehnt hat. Westhagemann bezeichnete die Streiks als schädlich, die den Standort Hamburg schwächen würden.
12.000 Arbeiter in den Häfen
Rund 12.000 Menschen arbeiten in deutschen Häfen – von Hamburg über Bremerhaven bis Brake. Auch hier wurden seit Donnerstagmorgen keine Schiffe abgefertigt. Betroffen waren nicht nur die großen Containerterminals, sondern auch Lkw und der Stückgutumschlag.
Arbeitgeber bieten 12,5 % mehr Lohn
Grund für den Streik ist der aktuelle Tarifstreit. Arbeitgeber hatten zuletzt ihr Angebot noch einmal verbessert. Sie bieten bis zu 12,5 Prozent über zwei Jahre. Ver.di fordert mindestens einen Inflationsausgleich für alle Mitarbeiter. Die Arbeitgeber hatten bereits vor der Ankündigung des Streiks vor einer weiteren Eskalation gewarnt. Verhandlungsführerin Ulrike Riedel sagte NDR 90,3, dass mit jedem weiteren Streik mehr Schiffe vor Häfen blockiert würden. „Die Lieferketten sind extrem belastet“, sagte Riedel. Christian Baranowski, Vorsitzender des HHLA-Betriebsrats, erklärte: “Der Grund dafür ist, dass der Arbeitgeber nicht mehr bereit ist, sozial mit uns zusammenzuarbeiten.” In den letzten zwei Jahren haben die Träger alles gegeben. “Wir wollen jetzt unseren Anteil bekommen”, sagte Baranowski. AUDIO: Warnstreik im Hafen wird mit gerichtlichem Vergleich fortgesetzt (2 Minuten)
Die Häfen waren weitgehend lahmgelegt
Vor knapp drei Wochen legten Hafenarbeiter mit einem 24-stündigen Warnstreik zu Beginn der Frühschicht den Umschlag von Container- und Frachtschiffen in Deutschlands großen Nordseehäfen weitgehend lahm. Betroffen waren die Häfen Hamburg, Emden, Bremen, Bremerhaven, Brake und Wilhelmshaven. Davor hatte es bei den Hafenarbeitern viele Jahre keine Arbeitsniederlegungen gegeben. Weitere Informationen Die Hafenarbeiter stellten ihre Arbeit ein. Die Entscheidungen der Arbeitsgerichte bestätigen den Streik (14.07.2022). mehr An den Terminals ging nichts mehr: In Hamburg und anderen Häfen beteiligten sich Tausende Hafenarbeiter an einem Warnstreik (23.06.2022). mehr Am Kai kommt es bereits zu langen Verzögerungen, doch viele Hafenarbeiter sind dem Aufruf von ver.di zum Warnstreik gefolgt. (06.09.2022) mehr Schiffe in der Deutschen Bucht, die darauf warten, in Hamburg gelöscht zu werden. Ein Streik könnte die Situation verschärfen. (03.06.2022) mehr Dieses Thema im Programm:
NDR 90,3 | NDR 90.3 Aktuell | 15.07.2022 | 19.00