Steht Deutschland wegen der Gasproblematik vor einer kritischen Bewährungsprobe? Finanzminister Habek sagte es und wurde von der Union kritisiert. Im tagesthemen-Interview wies er das nun kategorisch zurück.
Für den Fall, dass Russland die Gaslieferungen komplett einstellt und deshalb die Industrie in Deutschland ihre Arbeit einstellen muss, droht Deutschland ein Test – mit diesen Worten sorgte Bundesfinanzminister Robert Habeck am Wochenende für Aufsehen. In einem Interview mit Daily Matters betonte er nun, dass dies nicht beängstigend sei. Deutschland ist in einer Situation, in der die Karten aufgedeckt werden müssen. “Es ist das Gegenteil von Panik. Es ist ehrliche Politik und ehrliche Kommunikation.”
Zuvor hatte es Kritik an Habecks Kommunikation gegeben – vor allem aus der Union. Fraktionsvize Jens Spahn sagte gegenüber der Mediengruppe Bayern, man brauche einen Plan für den Fall, dass Russland die Erdgaslieferungen einstellt. Die “täglichen Warnungen” des Finanzministers tragen nur zur Verunsicherung bei.
Und die ehemalige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, heute wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, sagte, es fehle nicht an der Schilderung der Lage, jetzt gehe es ums Handeln. „Permanenter Terrorismus hilft keinem von uns“, sagte Klöckner der „Rheinischen Post“.
Robert Habeck, Bundesminister der Finanzen, über alternative Wege zur Befüllung der deutschen Gasspeicher
Tagesthemen 22:20 Uhr, 11.7.2022
Diverse Maßnahmen zur Verbrauchsreduzierung
Hambeck erklärte im tagesthemen-Interview, er habe immer betont, dass es mehrere Möglichkeiten gebe, mit einem möglichen Stau umzugehen. Dazu gehörten beispielsweise die Reduzierung des allgemeinen Gasverbrauchs, der Bau von LNG-Terminals oder die Inbetriebnahme von Kohlekraftwerken zur Reduzierung der gasbetriebenen Stromerzeugung. „Wir werden auch eine Aktionsplattform schaffen, wie der Industrieverbrauch gegen Geld gesenkt werden kann“, betonte Habeck. “Es werden jetzt viele politisch vereinbarte Schritte unternommen.”
Die Maßnahmen zeigen bereits Erfolge. Bisher sei der Erdgasverbrauch 14-mal niedriger als im Vorjahr, und „das ist das Gegenteil von dem, was Wladimir Putin beabsichtigt“. Hambeck erklärte auch, dass es wichtig sei, Solidarität und Hilfe innerhalb der EU zu zeigen, wovon Deutschland profitieren könnte, zum Beispiel weil andere Länder bereits LNG-Terminals für Schiffe haben, die Deutschland noch nicht gebaut hat.
Zusammenarbeit mit Tschechien
Habeck reiste am Vormittag nach Tschechien, um über die Erdgaskrise zu sprechen. Mit der Regierung in Prag wurde ein gemeinsames Gas-Solidaritätsabkommen unterzeichnet. „Wir helfen uns gegenseitig bei der Versorgung mit Erdgas und werden dasselbe von Deutschland aus für Tschechien tun“, sagte Hambek bei seinem Treffen mit dem tschechischen Industrie- und Handelsminister Josef Sikula.
Tschechien ist fast vollständig von russischen Erdgasimporten abhängig. Aus diesem Grund hat sich das Land Kapazitäten an einem zukünftigen LNG-Terminal in den Niederlanden gesichert. Weitere diskutierte Themen waren die Zukunft der Automobilindustrie, die Möglichkeit des Baus einer Batteriefabrik in der Nähe von Pilsen und die Prioritäten der aktuellen tschechischen EU-Ratspräsidentschaft.
Die Ampel verspricht Hilfe
Auch Vertreter des Ampelbündnisses haben weitere Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger zugesagt. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir weitere Entlastungen bekommen werden. Die sind auch notwendig“, sagte Grünen-Chef Richard Lange. Die energiepolitische Sprecherin der SPD, Nina Scheer, forderte eine Energiesparprämie. „Wir wollen Energiesparen wieder belohnen: Der Energiesparbonus wäre ein zusätzlicher Anreiz für mehr Einsparungen“, sagte er dem Portal t-online.
Auch Bundeskanzler Olaf Solz versprach im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern in Lübeck weitere Hilfe, ohne jedoch konkret zu werden. Gleichzeitig warnte er jedoch davor, dass die hohen Preise so schnell nicht nachlassen würden.