Die Zahlen des Coronavirus steigen wieder und in Wien wurden bereits neue Maßnahmen angekündigt, um die Ausbreitung des Virus wieder einzudämmen. Epidemiologe Gerald Gartlehner fordert die Bundesregierung jedoch auf, die Covid-Krise zu beenden und nicht die gesamte Bevölkerung mit Maßnahmen zu belasten.
Die Sommerwelle steht vor der Tür
Im Interview mit der „Kleinen Zeitung“ stellt der Experte gleich zu Beginn klar, dass Österreich derzeit „am Anfang der Sommerwelle“ steht. Aber das ist kein Grund zur Panik. Gefordert ist nun ein kontrollierter Prozess, der nicht unbedingt die gesamte Bevölkerung betreffen muss. Gartlehner schließt sich daher Gesundheitsminister Johannes Rauch von den Grünen an und sagt: „Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben“. Dass uns das Virus weiter beschäftigen wird, ist ihm jedenfalls klar: „Es wird nicht vergehen, es wird uns immer wieder plagen.“ Man dürfe nicht den Fehler machen, nichts zu tun, sagt Gartlehner, der vor allem für den Schutz von Risikogruppen plädiert. Das würde einerseits mit Auffrischimpfungen funktionieren. Daten aus Israel zeigen, dass die vierte Naht bei älteren Menschen wichtig ist.
Medikamente sollen helfen
Andererseits „sollten wir Risikogruppen und ältere Menschen ermutigen, sich mit steigender Inzidenz öfter und regelmäßig zu testen“, sagt Gartlehner. Zudem soll das Medikament Paxlovid nun auch eine wirksame Waffe gegen das Virus sein, die schwere Verläufe zu verhindern weiß. Diese Schutzmaßnahmen würden dazu führen, dass wir nicht „der gesamten Bevölkerung erneut Maßnahmen auferlegen müssten“, so der Experte. Die Akzeptanz von Regelungen auf nationaler Ebene ist ohnehin nicht mehr hoch. Gleichzeitig hält Gartlehner aber die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, wie sie derzeit in Wien gilt, für angemessen. Die Wiedereinführung der Supermarkt-Maskenpflicht dürfte dagegen „wenig Wirkung“ haben. „Man müsste auch bei kleineren Veranstaltungen noch eine Menge anderer, nicht-pharmakologischer Maßnahmen einführen. Aber angesichts der Situation in den Krankenhäusern ist das nicht wirklich gerechtfertigt“, sagt Gartlehner.
Quarantäne deaktivieren
Der Experte spricht sich auch für die Aufhebung der Quarantänebestimmungen aus. Aus seiner Sicht ist diese Maßnahme anders als zu Beginn der Pandemie nicht mehr wirksam genug. Zudem kursiert derzeit in Österreich eine Variante, die den Schaden verursacht, bevor der Infizierte isoliert wird. Die Aufhebung der Isolation würde auch viel Druck von der Bevölkerung nehmen. Stattdessen werden Verkehrsbeschränkungen eingeführt, die es den Menschen ermöglichen, mit einer Maske zu arbeiten und einzukaufen. Auch sollten Infizierte von Krankenhäusern und Pflegeheimen ausgeschlossen werden.
90 Prozent Immunität
Stetig steigende Infektionszahlen und Impfschutz in der Bevölkerung haben auch die Immunität der Bürger erhöht. Auch wenn eine genaue Vorhersage schwer zu treffen ist, schätzt Gartlehner, dass diese in Österreich mittlerweile deutlich über 90 Prozent liege. Für künftige Maßnahmen und eine Strategie gegen das Virus ist nun aber die Regierung zuständig. Gartlehner ist kritisch: „Ich verstehe die Strategie der Regierung nicht. Ich teile diese Ansicht, dass wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben, dass wir aus der Krisensituation herauskommen müssen. Ich finde aber, man sollte das Virus nicht zulassen.“ Lauf diesen Sommer und beobachte einfach, was passiert. Gefährdete Gruppen müssen geschützt werden, sonst laufen wir wirklich Gefahr, mit offenen Augen auf überfüllte Stationen zu gehen.” Nav-Account TK Zeit10.07.2022, 19:13 | Bsp.: 10.07.2022, 19:13