Der Ausbau von Windkraftanlagen kommt in Deutschland nicht voran. Politische Ziele, bis 2032 zwei Prozent der Landfläche für Windkraft zu nutzen, sind in weiter Ferne – und das bleibt nicht ohne Folgen für die Branche.
Der Ausbau der Windkraftanlagen kommt noch nicht voran. Diese Stagnation setzt die Branche zunehmend unter Druck. Um das Ziel zu erreichen, die Nutzung von zwei Prozent der Fläche für Windenergie bis 2032 auszubauen, ist ein fünffaches Volumen erforderlich.
Die Gewerkschaften forderten die Politik auf, dringend weitere Reformen einzuleiten. Genehmigungsverfahren sollten deutlich verkürzt werden. Bereits beschlossene Maßnahmen zur Ausweisung weiterer Flächen für Windkraftanlagen sollen zügig umgesetzt werden.
„Der politische Wille ist da, die Ausbauziele sind angepasst, aber es gibt noch Probleme mit den richtigen, für den Ausbau so wichtigen Rahmenbedingungen und deren konsequenter Umsetzung“, erklärte Dennis Rendschmidt, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Bauwesen (VDMA).
„Die Bundesländer sind künftig verpflichtet, 2 % ihrer Flächen für Windenergie auszuweisen“, Julie Kurz, ARD Berlin, zum forcierten Ökostromausbau
Tagesschau 14:00 Uhr, 5.7.2022
Windkraftausbau ähnlich wie im Vorjahr
Im ersten Halbjahr 2022 wurden 238 neue Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 977 Megawatt installiert. Damit ist die Ausbaugeschwindigkeit der Windenergie ähnlich hoch wie im Vorjahreszeitraum – sie hat laut Bundesverband WindEnergie (BWE) und VDMA sogar leicht abgenommen.
Da auch Altanlagen geschlossen wurden, lag der sogenannte Nettozubau im ersten Halbjahr mit 878 Megawatt leicht über dem Vorjahr. Zum Ende des ersten Halbjahres gab es in Deutschland 28.000 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 57.000 Megawatt.
Starke Ungleichheit zwischen den Bundesländern
Die Zahlen der Bundesländer unterscheiden sich im ersten Halbjahr drastisch: Rund 80 Prozent der neu gebauten Windkraftanlagen lagen in vier Bundesländern: Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Niedersachsen. In den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen wurden keine neuen Windenergieanlagen gebaut, aber selbst die großen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg hatten mit neun bzw. 21 Windenergieanlagen nur einen sehr geringen Anteil an neuen Windenergieanlagen.
Der Ausbau erfolgte nur in 62 der 294 Regionen, sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes WindEnergie. Damit wird auch deutlich, welche regionalen Potenziale sich ergeben, wenn sich alle Regionen beteiligen. Das Nord-Süd-Gefälle mache der Branche seit Jahren große Sorgen, erklärt Albers. Vor allem Bayern und Baden-Württemberg mit einer sehr starken Industrie werden von der Industrie stark nachgefragt. „Wir befürchten, dass es zu einer Versorgungslücke kommt, wenn sich die Ministerpräsidenten nicht aktiv für das Ziel der Bundesregierung einsetzen, 2 % der Fläche abzugrenzen“, sagte Albers.
Verdoppelung der Windenergieflächen auf zwei Prozent
Ansiedlungen von Erneuerbare-Energien-Anlagen sind ein Standortvorteil. Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil des aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Stroms am Stromverbrauch bis 2030 auf mindestens 80 Prozent zu steigern. Aktuell liegt er bei knapp 50 Prozent.
Um das Ziel zu erreichen, müssten zwei Prozent der gesamten Bundesfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen werden. Das ist mehr als eine Verdopplung. Die Bundesländer werden künftig gesetzlich dazu verpflichtet, mehr Flächen zur Verfügung zu stellen. Bis Ende 2032 gelten für einzelne Länder unterschiedliche Ziele, da unterschiedliche Anforderungen an den Windenergieausbau bestehen.
Für 2027 gibt es Zwischenziele. Mehr Ökostrom ist zentral in der Strategie der Bundesregierung, die Klimaziele zu erreichen und unabhängiger von fossilen Energieträgern wie russischem Gas zu werden.
Industrie unter Druck
Laut Albers beträgt die durchschnittliche Genehmigungsdauer für eine Windenergieanlage 60 Monate. Die Branche fordert seit Jahren eine deutliche Reduzierung. Das langsame Expansionstempo der letzten Jahre hat die Probleme der Branche noch verstärkt. Gründe sind auch Kostensteigerungen bei Materialien und Konkurrenzdruck durch Billiganbieter, beispielsweise aus China.
Die Branche sei erheblich unter Druck geraten, sagte Dennis Rendschmidt, Hauptgeschäftsführer des VDMA Power Systems. Der Windkraftanlagenhersteller Nordex hatte angekündigt, die Rotorblattproduktion in Rostock einzustellen. Eine Kombination aus “Kostensenkungswettbewerb” und unzureichender Marktdynamik sei “äußerst gefährlich”, sagte Rendschmidt.
Ein zuverlässiger Ausbau von Windenergieanlagen in Deutschland ist unabdingbar. Laut Rendschmidt gibt es derzeit branchenweit etwa 100.000 Arbeitsplätze. Aber einst waren es 40.000 bis 50.000 mehr. Dies ist das Ergebnis des Marktrückgangs der letzten Jahre. Wenn es kein „Upside“ gibt, sind weitere Arbeitsplätze gefährdet.