Immer mehr Menschen fahren elektrisch. Darauf sind viele freie Werkstätten jedoch gar nicht vorbereitet. In der Autowerkstatt von Salim Akes im aargauischen Gestorf herrscht Hochbetrieb. Sommerferien kennt der leidenschaftliche Automechaniker nicht. Er und seine Mitarbeiter reparieren Fahrzeuge aller Marken und haben, wie man so schön sagt, „Benzin im Blut“. Und Diesel natürlich. Aber Salim Akes hat ein Problem. „Im Moment haben wir drei Kunden, die einen Tesla fahren“, sagt der Garagenbesitzer. „Bei diesen Fahrzeugen können wir Scheibenwaschwasser und Reifen wechseln, höchstens die Bremsen.“ Reparaturen am Elektromotor selbst kann und soll Salim Akes nicht durchführen. „Es werden speziell ausgebildete Spezialisten für Elektromotoren benötigt. Das kann nicht jede Werkstatt.”
EU sichert sich beschleunigenden Elektro-Boom
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Die EU will konventionelle Verbrennungsmotoren (Diesel, Benzin, Erdgas) in Neuwagen ab 2035 verbieten, das haben Umweltminister und EU-Parlament beschlossen, noch ist nicht klar, ob synthetisch hergestellte Kraftstoffe weiterhin erlaubt sein werden. Der Anteil an Elektrofahrzeugen nimmt bereits stetig zu. Laut der Organisation Swiss eMobility wurden 2019 erstmals über 10’000 Plug-in-Autos in der Schweiz zugelassen, 2021 waren es über 12’000. Auch Hersteller setzen zunehmend auf Batteriemodule. Allein in Deutschland wurden laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2021 rund 328.000 Fahrzeuge mit reinem Elektromotor gebaut. Eine Steigerung um 86 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dagegen ging die Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor um 23 % zurück. Als „freie Werkstatt“ hat Salim Akes zudem keinen direkten Zugang zu den Fahrzeugherstellern. „Reparaturen an Elektrofahrzeugen werden meines Wissens derzeit nur von den Händlern der Marke durchgeführt“, sagt er. Eine Recherche im Internet bestätigt diesen Eindruck. Der Garagenanbieter Hostettler bietet beispielsweise eine Online-Übersicht über Elektrowerkstätten: Es gibt wenige unabhängige Unternehmen ohne Markenvertretung und schon gar keine mit einem umfassenden Leistungsangebot für Elektromotoren. Salim Akes wünscht sich daher mehr Engagement von Berufsverbänden, zum Beispiel Weiterbildungskurse für Kfz-Mechaniker.
Elektromotoren benötigen weniger Wartung
Das gibt es bereits, erklärt Oliver Mäder vom Schweizerischen Autohandelsverband. “Vor 10 Jahren hatten wir den ersten Unterricht in Hochvolttechnik, also bereiten wir uns auf die Explosion der Elektroautos vor.” Er betont auch, dass nur der Motor selbst eine neue Technologie ist. “Rundum ist es immer noch ein Fahrzeug mit Fahrgestell, mit vier Rädern und Bremsen.” Hinweis: Die Batterie und das Hochvolt-Bordnetz eines Elektrofahrzeugs dürfen und dürfen nur von speziell geschultem Personal repariert werden. (Bild: Elektromotorenfertigung bei Volkswagen) imago images Was Oliver Mäder aber auch weiß: Elektromotoren sind praktisch wartungsfrei, es sind beispielsweise keine regelmäßigen Ölwechsel erforderlich. Damit entfällt ohnehin ein erheblicher Teil des bisherigen Geschäfts für Werkstätten. Er bleibt aber optimistisch, und zwar für freie Werkstätten wie Salim Akes: Schließlich sei der Anteil an Elektrofahrzeugen nicht sehr groß.
Der Verband ist locker
„Es braucht Zeit. Zeit, bis Elektrofahrzeuge wirklich große Marktanteile erreichen. Und Zeit, bis die Industrie ihre Erfahrungen damit gemacht hat.“ Auch Salim Akes in Lassenstorf hat sich vorgenommen, auf die technologische Revolution im Fahrzeugmarkt zu reagieren. „Ich habe einen Sohn, der in der gleichen Branche arbeitet. Er befindet sich derzeit in der Ausbildung und wird wahrscheinlich Elektronik studieren.“ Künftig kann sich der untere Chef um Elektromotoren kümmern, während sich der obere Chef um Benzin- und Dieselfahrzeuge kümmern kann. Darin ist sich auch die Branche einig: Es wird noch lange dauern, bis Verbrennungsmotoren vollständig von den Straßen verschwinden.