Inflation trifft armutsgefährdete Menschen besonders hart ©APA/dpa
Am Montag richteten Caritas, Diakonie und Volkshilfe einen dramatischen Appell an die Bundesregierung, die Auswirkungen der Inflation auf besonders armutsgefährdete Personen und Familien zu neutralisieren. In einer gemeinsamen Pressekonferenz wurde betont, dass die Inflation keine Pausen mache. Alle drei humanitären Organisationen meldeten einen enormen Anstieg der Hilfesuchenden.
Grund dafür sei die stärkste Inflation seit 40 Jahren, sagte Caritas-Generalsekretärin Anna Parr: „Und wir gehen davon aus, dass sie dramatisch zunehmen wird.“ Die Preiserhöhung habe arme Menschen besonders hart mit „voller Wucht“ getroffen, Parr verwies auf den sogenannten Mini-Warenkorb, der sogar um 15,4 % teurer sei. Viele müssen jetzt genau kalkulieren, ob sie am Ende des Monats ein Kilo Brot aufgebraucht haben. Viele Menschen hätten die Caritas zum ersten Mal um Hilfe gebeten, sagt Parr: „Nicht nur armutsgefährdete Menschen, sondern viele Menschen im unteren Einkommensdrittel können nicht mehr über die Runden kommen.“ Besonders betroffen sind Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern. „Wir stoßen langsam an unsere Grenzen“, sagt Parr, zum Beispiel wurde in Wien ein vorübergehender Lebensmittelstopp verhängt und auf kleinere Lebensmittelpakete umgestellt. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem. Ähnliche Erfahrungen gibt es bei der Diakonie: „Die Grundbedürfnisse treffen in allen Bereichen“, betont Diakonie-Geschäftsführerin Maria Katharina Moser. Auch Babynahrung für Mütter, die nicht stillen können, wird zunehmend zum Problem. Und die Eltern würden schon nach Schulmaterial für den Herbst fragen. “Familien geht früher im Monat das Geld aus.” Zudem betonte Moser, dass es einen “Teufelskreis” aus wirtschaftlicher Not, Bildungsnachteil und Entwicklungsverzögerungen oder gesundheitlichen Nachteilen gebe. Armut und Bildung werden interagieren. Dieses Problem wird nun durch die Inflation verstärkt. Der Lebensstandard armutsgefährdeter Menschen ist schlechter und Krankheiten nehmen mit niedrigem Sozialstatus zu. Kinder und Jugendliche sollen jetzt in den Urlaub fahren und das Leben genießen, so Volkshilfe-Direktor Erich Feninger. Stattdessen sind viele Kinder belastet und besorgt, weil sie wissen, dass das Geld für die Familien nicht ausreicht. “Preiserhöhungen sind für viele lebensbedrohlich.” In einer österreichweiten Umfrage der Volkshilfe unter mehr als 550 Sozialarbeitern im Juni und Juli gaben fast drei Viertel der Befragten an, dass die Inflation einen erheblichen Einfluss auf die Planung für armutsbetroffene Kinder und Jugendliche hat. Eine finanzielle Grundsicherung für Kinder ist dringend notwendig. Hilfsorganisationen fordern eine „gezielte inflationshemmende Abgabe“ und „das Ende der Gießkanne“, wie es Caritas-Generalsekretär Parr formulierte. Die inflationäre Aufstockung soll den ärmsten Haushalten zugute kommen – Sozialhilfeempfängern ebenso wie Geringverdienern. Die türkis-grüne Bundesregierung soll die gesetzlichen Grundlagen für diesen Sommer schaffen. Parr forderte zudem „eine gesetzlich vorgeschriebene Abschaltung von Strom und Erdgas im Winter“ und die Anhebung der Sozialleistungen auf ein „Armutsschutzniveau“. Begrüßt wurde die angekündigte Inanspruchnahme von Sozialleistungen ab dem nächsten Jahr. Dazu sollten aber auch Nothilfe und Arbeitslosengeld gehören. Zudem soll der Wertverlust der letzten Jahre entsprechend ausgeglichen werden, etwa bei der Familienbeihilfe. Auch an einer derzeit diskutierten Strompreisobergrenze lässt sich laut Fenninger etwas gewinnen.