“Wir weisen jegliche Hinweise oder direkte Berichte, dass die russische Seite Erdgas oder Öl als Waffe für politischen Druck einsetzt, vollständig zurück”, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Russland erfüllt alle Verpflichtungen aus den Verträgen. “Und vor allem ist Russland in der Lage, die volle Energiesicherheit Europas zu garantieren.” Aber auch andere Botschaften waren in den vergangenen Wochen aus dem Kreml gekommen. Und für etwa zehn Tage wird kein Erdgas durch die Ostsee-Pipeline fließen.
Nord Stream 1 wird geschlossen – wegen Wartungsarbeiten
Die kanadische Regierung will die Lieferung der gewarteten russischen Turbine „Nord Stream 1“ nach Deutschland ermöglichen. Kanada wird Siemens Canada eine „vorübergehende und widerrufliche Lizenz“ erteilen, sagte der Minister für natürliche Ressourcen, Jonathan Wilkinson, am Samstag. Offiziell soll die Pipeline von Montag bis zum 21. Juli wegen Wartungsarbeiten stillgelegt werden. Dann fließt kein Gas mehr.
21. Juli als kritisches Datum
Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) rechnet damit, dass zunächst weniger Gas nach Österreich fließen wird. Dies wirkt sich auch auf die Lagerung aus. Das Speicherziel der Bundesregierung könne nach Berechnungen der E-Control aber noch eingehalten werden, wenn Russland nach der Wartung wieder Erdgas in der vereinbarten Menge liefere, sagte der Minister am Sonntag in einer Aussendung. Kritischer Zeitpunkt ist die Wiederinbetriebnahme der Pipeline, die für den 21. Juli geplant ist. „Ob danach die Lieferungen wieder vollständig aufgenommen werden, kann heute niemand vorhersagen. Der 21. Juli ist daher ein kritischer Termin für die europaweite Versorgung mit Erdgas“, betonte Gewessler. Grafiken: APA/ORF.at; Quelle: APA/dpa Für direkte Gaslieferungen nach Österreich spielt „Nord Stream 1“ jedoch nur eine untergeordnete Rolle. „Österreich wird hauptsächlich über das Pipelinesystem durch die Ukraine versorgt. Aufgrund des kompletten Ausfalls der Lieferungen über „Nord Stream 1“ aufgrund von Wartungsarbeiten ist jedoch auch in Österreich mit einem deutlichen Lieferrückgang zu rechnen. mehr zum Thema
Kanada erlaubt den Export einer reparierten Turbine
Habecks Warnungen
Bundesfinanzminister Robert Habeck warnte am Sonntag vor einem “Albtraumszenario”. Die Bundesregierung versuche, sich mit Maßnahmen auf das Schlimmste vorzubereiten, um genau das zu verhindern, sagte er dem Deutschlandfunk vor den Folgen einer Gassperre. Angesichts steigender Gaspreise warnte er auch vor einer zu großen sozialen Spaltung „ohne weitere politische Unterstützung“. Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (wie Habeck von den Grünen) forderte in der „Bild am Sonntag“ ein Moratorium für die bevorstehende Gas- und Stromsperre bei unbezahlten Rechnungen.
Deutschland könnte mehr Geld für Flüssiggas gebrauchen
Habeck verwies auf den notwendigen Mix aus Befüllung von Gasspeichern, Rettung von Erdgasversorgern und Ressourcenschonung bei Bürgern, Unternehmen oder in Verwaltungsgebäuden. Gegenüber dem Deutschlandfunk deutete er an, dass die 15 Milliarden Euro, die die Regierung für den Kauf des teureren verflüssigten Erdgases (LNG) bereitstellt, möglicherweise nicht ausreichen, um die deutschen Erdgasspeicher im Oktober zu den erwarteten 80 Prozent zu füllen. Die Regierung muss möglicherweise mehr Geld geben. Er kritisierte, dass einige Erdgasversorger wieder legal Gas aus ihren Speichern verkaufen. „Das Problem ist, dass die großen Speicheranlagen, die teilweise im Besitz von Gazprom sind und jetzt treuhänderisch sind, … relativ leer sind. Der Durchschnitt von 63 Prozent sagt uns also nicht die ganze Geschichte“, sagte er und bezog sich auf das aktuelle Niveau. öffentliche Diskussion
Erdgasalternativen: Wo soll der Staat ansetzen?
Hambeck kritisierte auch europäische Richtlinien, nach denen bei Gasknappheit zuerst bei den Unternehmen und zuletzt bei den Verbrauchern eingespart werden soll. „Ich finde es unbefriedigend. Aber es ist die europäische Rechtsnorm und sie hat sich noch nicht geändert“, sagte er. Die Gewerkschaft forderte Habeck (Grüne) jedoch auf, Deutschland besser auf Gasengpässe im Falle eines Pipeline-Totalausfalls vorzubereiten. „Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger erwarten von der Regierung zu Recht einen Plan für den Ernstfall“, sagte der Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn. Auch die deutsche Industrie braucht Erdgassicherheit.
Studie: Der Gasspalt darf überhaupt nicht groß sein
Die Folgen eines Lieferausfalls sind alles andere als klar: Eine neuere Gemeinschaftsdiagnose mehrerer deutscher Wirtschaftsforschungsinstitute kommt hingegen zu dem Schluss, dass selbst bei einem sofortigen Komplettstopp von „Nord Stream 1“ schlimmstenfalls sogar In diesem Fall besteht in diesem Jahr kein Gasengpassrisiko mehr und im nächsten Jahr nur noch in ungünstigeren Szenarien. Ökonomen berechneten 1000 Kombinationen aus 26 Faktoren, wie Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) erklärt. Dabei werden verschiedene Szenarien simuliert. Laut Prognosen sehen die Forscher in diesem oder im nächsten Jahr keine Gaslücken mehr wegen voller Speicher. Sie geben jedoch nicht den Klartext.
Hohe Preise als Risikofaktor
Aber selbst wenn es genug Erdgas gibt, werden die Preise hoch sein. „Auch wenn wir nicht in den Gasnotstand geraten, wird Gas teuer bleiben“, sagte der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, gegenüber Focus. Die Preisauswirkungen der aktuellen Gasknappheit müssen noch bis zu den Verbrauchern durchsickern. Bei einer möglichen Mehrbelastung von 2.000 bis 3.000 Euro pro Familie droht „Gasarmut“. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte vor einem “Sozialtest”. Bewegungen wie die Gelbwesten in Frankreich seien auch in Deutschland möglich, sagte Fratzscher dem Handelsblatt.