Einen Tag nach dem Rücktritt des britischen Premierministers Boris Johnson wirft der frühere Finanzminister Rishi Sunak als erstes politisches Schwergewicht seinen Hut in den Ring. „Jemand muss dem Moment gerecht werden und die richtigen Entscheidungen treffen. Deshalb wollen sie der nächste Führer der Konservativen und Premierminister werden“, sagte Sunak am Freitag in einer Videobewerbung. Mit seinem Rücktritt am Dienstag spielte Sunak eine Schlüsselrolle bei Johnsons Sturz. Als Grund für seinen Rücktritt nannte Sunak unter anderem wirtschaftspolitische Differenzen. Im Falle seiner Wahl würde der Politiker indischer Herkunft der erste nicht-weiße Premierminister in der Geschichte des Vereinigten Königreichs werden. Johnson hatte am Donnerstag seinen Rücktritt als Tory-Führer angekündigt, will aber Premierminister bleiben, bis ein Nachfolger gewählt ist. Johnson geriet am Freitag unter Druck, als Premierminister schnell zurückzutreten. Die Opposition drohte mit einem Misstrauensvotum, um seinen sofortigen Rücktritt zu erzwingen. Laut der stellvertretenden Vorsitzenden der Labour Party, Angela Rayner, kann das Land den „Lügner“ Johnson nicht länger ertragen. Laut Medienberichten will Johnson vor allem deshalb an der Macht bleiben, weil er Ende Juli auf dem Landgut Chequers seine Hochzeit feiern will. Dem widersprach jedoch am Freitag sein Gefolge. Johnson hat Pläne für einen Hochzeitsempfang im Chequers Manor aufgegeben, sagten Quellen.

Offizielle Anwendungen von Tugendhat und Braverman

Vor Sunak hatten Tory-Abgeordneter Tom Tugendhat und Generalstaatsanwältin Suella Braverman offiziell ihre Kandidatur für die Nachfolge von Johnson angekündigt. Auch Brexit-Befürworter Steve Baker bekundete Interesse. Tugendhat, Vorsitzender des einflussreichen Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im Unterhaus, kündigte seine Kandidatur gegenüber dem Daily Telegraph an. „Ich habe in der Vergangenheit gedient – ​​in der Bundeswehr und jetzt im Parlament“, schrieb der 49-jährige ehemalige Bundeswehroffizier. Braverman wurde am Mittwoch in Interviews als Nachfolger von Johnson positioniert. Die 42-jährige Brexiteer ist in der Partei wegen ihrer Opposition gegen die EU beliebt. Unter anderem sollen sich Gesundheitsminister Sajid Javid, der am Dienstag zurückgetreten ist, und Verkehrsminister Grant Shapps um die Nachfolge von Johnson bewerben. Auch Außenministerin Liz Truss und der frühere Außenminister Jeremy Hunt genießen hohes Ansehen. Johnson und seine Regierung sind in den letzten Monaten durch eine Reihe von Skandalen stark unter Druck geraten. Neben einem Spendenfall schlugen vor allem Skandale um Regierungssitzpartys während des Corona-Lockdowns und sexuelle Übergriffe hochrangiger Tory-Politiker schwer zu Buche. Fast 60 Minister und andere Regierungsbeamte waren bis Dienstagnachmittag aus Protest gegen Johnson zurückgetreten. Um Johnson früher von der Macht zu verdrängen, droht die Labour Party mit einem Misstrauensvotum im Parlament. „Er ist ein bewährter Lügner, der sich im Schlamm verirrt hat, und wir können das nicht noch ein paar Monate ertragen“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Rayner dem BBC-Radio. Es ist klar, dass Johnson das Vertrauen des Parlaments und der Bevölkerung verloren hat. Im Falle eines Misstrauensvotums bräuchte die Opposition allerdings die Unterstützung von Dutzenden Tory-Abgeordneten. Doch viele Tories befürchten, dass es irgendwann zu Neuwahlen kommt – und sie verlieren ihre Sitze. Bildungsminister James Cleverly sagte, Johnson werde vorerst auf seinem Posten bleiben. „Es ist richtig, dass er ein Team zusammengestellt hat, das weiter regieren wird, während das Auswahlverfahren für seinen Nachfolger weitergeht“, sagte er gegenüber Sky News. (APA)