Stand: 18.07.2022 12:50 Uhr
Mutige Anleger trieben den DAX zum Wochenstart über die Marke von 13.000. Doch Experten zweifeln an der Nachhaltigkeit der aktuellen Kursrallye. Gehen Anleger zu viel Risiko ein?
Nach zwei turbulenten Wochen, in denen der DAX auf 12.391/12.434 gefallen ist, kehren die Finanzmärkte in den „High Risk“-Modus zurück. Riskante Anlagen wie Aktien, Öl und Kryptowährungen sind zu Wochenbeginn sehr gefragt. Sichere Häfen wie der US-Dollar verschwinden.
Der DAX durchbricht die Marke von 13.000
Kurz nach Handelsstart überschritt der DAX die psychologisch wichtige Marke von 13.000 Punkten. Auch das jüngste Zwischenhoch und der seit drei Wochen anhaltende Abwärtstrend bei 13.020/13.050 Punkten stellen kein unüberwindbares Hindernis für Kaufinteressenten dar. Das vorläufige Tageshoch liegt bei 13.062 Punkten. Dies entspricht einem Plus von 1,5 Prozent gegenüber dem Schlusskurs des Vortages.
„Die Erholung setzt sich damit vor einem der wichtigsten Termine des laufenden Handelsjahres für die Eurozone fort, was ein starkes Signal ist“, sagte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege bei RoboMarkets, vor der EZB-Sitzung am Donnerstag.
Nervös wegen Nord Stream 1
Doch am Donnerstag findet nicht nur die EZB-Sitzung statt, an diesem Tag sollen auch die Wartungsarbeiten an der „Nord Stream 1“-Pipeline abgeschlossen werden. Wenn die Erdgasflüsse nicht wieder aufgenommen werden, könnten die Bärenmarktrallye des Euro und der europäischen Aktien zusammen mit den Pipelineflüssen verpuffen, warnt Jeffrey Halley, Analyst beim Devisenmakler Oanda.
Wenn Russland als Vergeltung für westliche Sanktionen die Gaslieferungen stoppt, würde dies Deutschland und den Rest Europas in eine Rezession stürzen, glauben Ökonomen.
EZB vor dem Ende der Nullzinspolitik
Unsicherheiten gibt es auch beim neuen Anti-Fragmentierungs-Tool der EZB, das die Notenbank am Donnerstag vorstellen möchte. Die EZB will die Ausweitung der Renditeunterschiede zwischen den Staatsanleihen der verschiedenen Länder der Eurozone bekämpfen. Auch die EZB dürfte auf ihrer Ratssitzung erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt alle Leitzinsen um 25 Basispunkte anheben.
„Angesichts extrem hoher Inflationsraten ist das aber eine reflexartige Reaktion“, klagt Ulrike Kastens, Europaökonomin beim Vermögensverwalter DWS. Mehrere Experten spekulieren, dass der steigende Inflationsdruck die EZB zu einer restriktiveren Haltung im Laufe des Jahres veranlassen könnte, was zu erheblichen Zinserhöhungen führen könnte.
Nachlassende Zinssorgen, Dow-Futures steigen
Unterdessen steuert die Federal Reserve bei der Sitzung nächste Woche auf eine weitere große Zinserhöhung zu. Marktexperten zufolge ermöglicht der Rückgang der Inflationserwartungen, den Zinsanstieg auf 75 Basispunkte zu begrenzen, nachdem an den Märkten über eine Erhöhung um volle Prozentpunkte spekuliert wurde.
Bereits Ende der Woche hatte die nachlassende Angst vor drastischeren Zinserhöhungen der US-Notenbank die Wall Street beflügelt. Heute dürften die großen US-Indizes an ihre jüngsten Kursgewinne anknüpfen. Der Future des US-Leitindex Dow Jones Industrial Average legt derzeit um 0,8 % zu. Futures auf den technologielastigen Nasdaq 100 könnten bis zu 1,2 % zulegen.
Goldman Sachs und Bank of America im Fokus
Zwei weitere US-Banken, Goldman Sachs und Bank of America, legen vor Eröffnung der US-Börse Daten für das zweite Quartal vor. Wie bei JP Morgan, Morgan Stanley und Citigroup wird erwartet, dass die drohende Rezession ihre Schatten auf die Weltwirtschaft wirft, und die Kreditrisikovorsorge dürfte die Gewinne stark belastet haben.
Der Euro macht weiter Boden gut
Der sichere Hafen US-Dollar war zu Wochenbeginn nicht gefragt. Der Dollar fiel gegenüber wichtigen Währungen wie dem Yen und dem Schweizer Franken. Unterdessen stieg der Euro bis zum Mittag um 0,5 % auf 1,0152 $. Die 1,00-Dollar-Marke fungiert derzeit als wichtige Stütze für den Euro, stellt Marktexperte Robert Rethfeld fest. Die Anleger bleiben jedoch nervös angesichts der ungewissen Zukunft der Nord Stream 1-Pipeline.
Die Ölpreise steigen weiter
Die Ölpreise steigen weiter. Brent-Rohöl aus der Nordsee stieg am Mittag um etwa zwei Prozent auf 103,19 Dollar pro Barrel. Die sinkende Risikoaversion der Anleger treibt die Nachfrage nach Öl an. Zudem macht der schwächere Dollar Öl für Käufer außerhalb der Dollarzone billiger und stützt damit den Preis des „schwarzen Goldes“.
Gold mit Stabilisierungsaufwand
Der Goldpreis versucht sich nach seinem jüngsten Rückgang zu stabilisieren. Gold stieg bis zum Mittag um 0,8 % auf 1.723 $ je Unze. In der Vorwoche war das gelbe Edelmetall zeitweise unter die 1700-Dollar-Marke gefallen. In der Sechs-Monats-Perspektive beträgt das Minus rund sechs Prozent. …