Der neue Sender will den Machern zufolge ein Gegenprogramm zum “Milliardenschweren Ankündigungsmechanismus des Staatssenders”, aber auch zu “abgrundtiefen Fake News in Bezug auf die ‘sogenannte’ Coronavirus-Pandemie” bieten. Das Radio war erst 30 Stunden an, als es von der äußersten rechten Ecke erhebliche Unterstützung erhielt. Björn Höcke, Vorsitzender der Partei Alternative für Deutschland (AfD), twitterte: „Wer eine journalistisch hochwertige Alternative zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk sucht, hat jetzt eine echte Alternative: Kontrafunk sendet seit gestern ein 24-Stunden-Programm. “
1,2 Millionen Euro Startkapital?
Doch wer verbirgt sich hinter dem neuen Radio, das nach eigenen Angaben mit einem Startkapital von 1,2 Millionen Euro ausgestattet ist? Der Hauptsitz von Kontrafunk befindet sich in einem baufälligen Bürogebäude in Cham ZG. Unter der gleichen Adresse sind laut Handelsregister weitere 50 Firmen eingetragen. Nur: Da ist niemand. Ein langer Korridor, leere Räume, die Türen nummeriert: 2007, 2008, 2009. Auf die neue Radiostation in Cham weist nur ein grüner Aufkleber an einem Briefkasten vor dem Gebäude hin. Im selben Briefkasten sind die Namen von drei weiteren Firmen aufgeführt: Hummelflug AG, Serafin Film AG und Gretchen AG. Die drei Unternehmen haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind im Kino tätig – und sie gehören Andreas Thiel.
Thiel will dazu keine Angaben machen
Der rechtskonservative Satiriker, der sich in den letzten Jahren als Redner bei Demos Corona einen Namen gemacht hat, hat im Kontrafunk eine eigene Talkshow: Yogagaga, «Sprachphilosophische Betrachtungen aus der Schweiz». Aber was hat das mit Radio zu tun? Ist er Geschäftspartner, Mitinhaber oder nur Moderator? Die Frage ist dem ansonsten eloquenten Satiriker offensichtlich unangenehm. Erst beantwortet er keine Fragen, dann schreibt er, dass er gerade in der Filmproduktion sei und erst im Oktober wieder zur Verfügung stehe. Burkhard Müller-Ullrich ist offizieller Gründer und Inhaber von Kontrafunk. Die deutsche Journalistin war langjährige Moderatorin des Deutschlandfunks und Talkshow-Moderatorin bei SWR2, daneben schreibt sie für renommierte Zeitungen. Auf seinem Twitter-Profil bezeichnet er sich selbst als Dieselfahrer, Waffenbesitzer und Vielpendler. Sein Motto: „Die Medien sind unser Unglück.“ Eine Anspielung auf den berühmten Satz „Juden sind unser Unglück“ aus der Zeit des Nationalsozialismus? Klar ist: Müller-Ullrich hat vor Jahren eine scharfe Rechtskurve gemacht. 2017 trat er der AfD bei und wurde während der Corona-Pandemie radikaler. Im vergangenen Jahr warf er seinen Journalistenkollegen öffentlich “Dummheit und Charakterlosigkeit” vor, Deutschlandfunk und SWR2 brachen die Verbindung zu ihm ab.
Müller-Ullrich: Flucht in die Schweiz?
Der Gründer von Kontrafunk lebt teilweise in der Schweiz. In einem Interview mit der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ sagte er, er sei hier vor der deutschen Corona-Politik geflüchtet. Bleibt die Frage: Warum sitzt ein deutscher Radiosender in Cham in Zug? Kritiker vermuten, dass Kontrafunk-Anhänger die deutschen Medienqualitätsanforderungen umgehen wollen, die gelten, wenn Desinformationen über den Radiosender verbreitet werden. Ein Arzt hat behauptet, dass die Gabe von Vitamin D allein 80 % der schweren Fälle von Coronavirus verhindert. Ältere Menschen, “die noch zu Hause leben, die wenig Vitamine einnehmen, haben keinen ernsthaften Verlauf.” Plus: Impfungen „schaden dem Immunsystem“. Das könnte Sie auch interessieren Auch der AfD-Politiker Björn Höcke deutete auf Facebook an, dass Medienregeln in Deutschland bei der Wahl des Firmensitzes eine Rolle gespielt haben könnten. „Da es sich um ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen handelt, unterliegt es nicht dem deutschen Medienvertrag ab 2020, durch den der deutsche Journalismus rechtlich kontrolliert wird“, schrieb er. SonntagsBlick möchte darüber mit Burkhard Müller-Ullrich sprechen. Aber er schwieg – und Andreas Thiel auch.