Eigentlich hätte Nord Stream 1 nach der zehntägigen Wartung wieder in Betrieb genommen werden sollen. Doch nun hat der russische Gasriese Gazprom in einer Stellungnahme mitgeteilt, dass dies nicht garantiert werden kann. Gazprom benötige für die Reparatur eine Turbine aus Kanada, deren Lieferung noch nicht bestätigt sei, teilte Gazprom am Mittwoch mit.
Angst vor dem Winter
Ob Sanktionen gegen Russland der Auslieferung im Wege stehen, ist noch ungewiss. Bleibt die Leitung dicht, hat das schwerwiegende Folgen für Deutschland. Die Erdgasspeicher in Deutschland sind aufgrund von Wartungsarbeiten praktisch stillgelegt. Die Ostseepipeline Nord Stream 1 war zuletzt die wichtigste Route für russisches Gas nach Deutschland. Die EU will bis Ende des Jahres deutlich weniger Gas – und mittelfristig keine Energie mehr aus Russland. In Deutschland befürchtet die Regierung daher eine Erdgasknappheit für den kommenden Winter und bemüht sich, ihre Gasspeicher schnellstmöglich zu füllen.
Der Speicher ist noch lange nicht voll
Laut Gesetz müssen Gasspeicher bis zum 1. Oktober zu 80 % und bis zum 1. November zu 90 % gefüllt sein. Von diesem Ziel ist Deutschland jedoch noch weit entfernt. Gasspeicher sind nur noch zu 64,6 Prozent gefüllt, meldet der Bundesnetzdienst. Sie haben frühere Angaben korrigiert, dass der Füllstand bereits bei 64,9 Prozent lag. Nach der vorübergehenden Abschaltung von Nord Stream 1 pumpt der russische Energieriese Gazprom sein Gas trotz Krieg weiter durch die Ukraine nach Europa. Die für Mittwoch vereinbarte Liefermenge beträgt jedoch nur 41,3 Millionen Kubikmeter und damit nicht einmal die Hälfte des möglichen Volumens. Das geht aus Berichten des ukrainischen Gasnetzbetreibers und Gazprom hervor. Das Volumen entsprach dem der vergangenen Tage, obwohl tatsächlich höhere Mengen durch die Wartungsabschaltung von Nord Stream 1 bis zum 21. Juli fließen könnten.
um Kohlekraftwerke zu stärken
Um Erdgas einzusparen und mehr Speicher zu ermöglichen, werden in Deutschland bald mehr Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung eingesetzt. Einen entsprechenden Erlass hat das Bundeskabinett am Mittwoch erlassen. „Wir wollen jetzt im Sommer Erdgas sparen, um unsere Speicher für den Winter zu füllen“, sagte Finanzminister Robert Hambeck (Grüne). Kohle- und Ölkraftwerke, die sich derzeit in Netzreserve befinden, können daher befristet bis zum Ende des Winters an den Strommarkt zurückkehren. Der Erlass soll voraussichtlich am Donnerstag in Kraft treten.
Im Winter ohne russisches Gas
Selbst wenn Russland alle Gaslieferungen nach Deutschland stoppen würde, käme es laut Energieökonomin Claudia Kemfert nicht zwangsläufig zu einer Gasknappheit. „Ob es wirklich zu einer Gasknappheit kommt, hängt von verschiedenen Aspekten ab“, sagte der Energieexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der Deutschen Presse-Agentur. Dazu gehörten insbesondere der Ausbau der Erdgaslieferbeziehungen mit Ländern außerhalb Russlands, die kontinuierliche Befüllung von Speichern und die Einsparung von Erdgas. Darüber hinaus gibt es weitere Optionen. „Aber wenn zumindest die ersten drei Dinge gut laufen, sehe ich nicht, dass wir eigentlich einen Gasmangel haben sollten“, sagte Kaempfert. Deutschland hat mit diesen Maßnahmen begonnen oder ist bereits auf einem guten Weg. (SDA/smt) Mehr zu russischen Gaslieferungen