Damit erreichte der niederländische Bauernaufstand Deutschland, wenn auch nur in Form der ersten Vorboten. In den Niederlanden gab es in den vergangenen Wochen Massenproteste gegen geplante Umweltvorschriften. Traktoren blockierten große Supermarktlager, Landwirte drohten Politikern. Demonstranten fürchten um ihre Existenz, da die Mitte-Rechts-Regierung von Mark Rutte die Stickstoffemissionen des Landes reduzieren will. Für 30 Prozent der Viehbetriebe könnte es das Aus bedeuten. Lesen Sie auch Preisverfall und Tierschutz
Die Situation in Deutschland ist nicht so drastisch. Die Regierung plant aber auch, die Stickstoffbelastung durch die Viehhaltung in diesem Land weiter zu reduzieren. Dazu ist sie auch verpflichtet. Gegen die Bundesrepublik Deutschland läuft ein EU-Verfahren wegen stark nitratbelasteter Flächen. Nitrat ist ein Stickstoffabbauprodukt, das in tierischen Fäkalien vorkommt und in hohen Konzentrationen zu einem Umweltschadstoff wird. Die Ampelkoalition hat daher nach jahrelangem Hin und Her und drohenden Bußgeldern in der EU die Vorgaben für Nitratemissionen verschärft, wenn auch nicht so stark wie in den Niederlanden. Dort müssen in einigen Gebieten die Nitratemissionen um fast 100 Prozent reduziert werden. Die neuen deutschen Regelungen betreffen vorerst nur die Erhebung von Daten zur Umweltbelastung und die Ausweisung von nitratbelasteten Gebieten. Auf dieser Grundlage werden später strengere Emissionsgrenzwerte festgelegt. Viele Landwirte und vor allem Züchter in Deutschland machen sich nun Sorgen um ihre Zukunft. Sie wissen, wie hart die Maßnahmen in den Niederlanden sind. Und sie wollen verhindern, dass ihnen eines Tages etwas Ähnliches passiert. Lesen Sie auch Neuer Landwirtschaftsminister
Bei den Bauern gab es keine Begeisterung. Stattdessen; Angesichts extrem strenger Maßnahmen in den Niederlanden, wo die Nitratemissionen teilweise um fast 100 Prozent reduziert werden sollen, fürchten viele um die Zukunft ihrer Tiere und damit nitratintensiver Betriebe.

“Niederländische Bauern wehren sich nur gegen Enteignung”

Lokale Gruppen der Bewegung Earth Makes Connection (LSV) beteiligten sich an den ersten, eher verhaltenen Protesten in diesem Land. Die Präsidentin des Vereins, Maike Schulz-Broers, hält auf ihrem Hof ​​in Lüneburg keine Rinder, sondern baut Kartoffeln und Rüben an. aber sie bekommt Nassmist von einem befreundeten Schweinezüchter. Gegenüber den westlichen Nachbarn sagt er: „Niederländischen Kollegen wird zu Unrecht vorgeworfen, dass sie sich gegen jegliche agrarpolitischen Maßnahmen stellen – sie sind einfach gegen Enteignungen.“ Hier können Sie sich unsere WELT-Podcasts anhören Zur Anzeige der eingebetteten Inhalte ist Ihre widerrufliche Einwilligung zur Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung benötigen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem Sie den Schalter auf „on“ stellen, erklären Sie sich damit einverstanden (jederzeit widerrufbar). Dies umfasst auch Ihre Zustimmung zur Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten an Drittländer, einschließlich der USA, gemäß Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO. Hier finden Sie weitere Informationen dazu. Ihre Einwilligung können Sie jederzeit über den Schalter und Datenschutz unten auf der Seite widerrufen.
Schulz-Broers weiß, dass hohe Nitratkonzentrationen das Grundwasser gesundheitsschädlich machen können, bezweifelt jedoch EU-Daten, die auf eine solche Konzentration hindeuten. „Keine Nitratüberwucherung in Deutschland! Wir haben eines der saubersten Grundwasser in Europa.“ Schulz-Broers steht im Zentrum einer Kontroverse, in der es neben Identität und Ethik auch um mikrokomplexe Messmethoden und Beweisketten geht. Sie spricht von einem „Netz von Messstellen der Wasserrahmenrichtlinie“, das die hohe Qualität des Wassers „jedes Jahr aufs Neue“ bestätige. Lesen Sie auch Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) widerspricht ihr vehement. Das genaue Gegenteil ergibt sich aus der EU-Wasserrahmenrichtlinie: Grundwasser ist „massiv kontaminiert“. Benning, selbst gelernte Bäuerin, steht Kleinbetrieben wie denen von Maike Schulz-Broers und ihren Kollegen nicht kritisch gegenüber. Das Hauptproblem ist wohl die „Industrialisierung der Tierhaltung“. Genau daran hat die niederländische Regierung kein Interesse. Durch den Anreiz, die Anzahl der Plätze für Tiere zu reduzieren, “beschleunigten sie eher das Absterben von Farmen, als die Anzahl der Tiere in großen Weiden zu dezimieren”, sagt Benning. Letztere sammelten auf engstem Raum sehr große Mengen an Mist und Gülle. Benning fordert, dass Großbetriebe weniger Tiere halten und jedem Tier mehr Platz geben. „Dadurch würde sich auch die Menge an Gülle verringern und die meisten Betriebe wären in Sachen Stickstoffbilanz wieder im grünen Bereich.“ Diese solle wie im Koalitionsvertrag versprochen über eine Fleischsteuer finanziert werden, müsse aber wegen der FDP noch umgesetzt werden, sagt Benning.

Landwirte aller Couleur fühlen sich von den politischen Plänen bedroht

Das könnte eine Lösung für die Zukunft sein. Im Hier und Jetzt fühlen sich jedoch Landwirte jeder Größenordnung von den politischen Plänen bedroht. Bauer Schulz-Broers deutet nur an, wie es in Deutschland nach den Ereignissen in Holland weitergeht. „Wir sind mit verschiedenen Gruppen und Verbänden im Gespräch“, sagt er. „Leider haben wir in der Vergangenheit erlebt, dass einfache Demonstrationen nicht mehr dazu führen, dass die Politik Gehör findet.“ Die nächsten Tage werden zeigen, wie es weitergeht, sagt er. Tatsächlich erwarten viele Vertreter der Landwirtschaft ein Ende der Bauernproteste hierzulande. Und dann gibt es noch ein weiteres Problem: Immer wieder mischen sich “Querdenker” und Rechtsextreme unter die Demonstranten, vor allem in den sozialen Medien wie Telegram und Twitter. Die “Identitätsbewegung” behauptete, den “lokalen Widerstand” der Bauern in Sachsen zu unterstützen. Laut „t-online“ beteiligten sich die vom Verfassungsschutz beobachteten „Freien Sachsen“ selbst an dem Protest. Lesen Sie auch Es scheint, dass einige Umweltschützer ihre Umsturzphantasien und Verschwörungsfantasien auf die Bauern projizierten. Besonders heftig sind die Behauptungen, dass der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte mit dem Chef des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, in Konflikt gerät und eine „Neue Weltordnung“ durchsetzen will, in der nur noch künstliches Fleisch produziert wird. Darauf angesprochen fand der Deutsche Bauernverband (DBV) deutliche Worte: „Radikale, Querdenker und andere Eiferer versuchen, die Proteste der Bauern für ihre Zwecke auszunutzen. Von diesem Trittbrettfahren distanzieren wir uns ebenso wie von gewalttätigen Protesten oder Sachbeschädigungen.“ Allerdings bewertet der DBV die Pläne der niederländischen Regierung ähnlich wie die „Earth Connects“-Bewegung: Bauern im Nachbarland drohten „Zwangsschließungen“ und „Enteignungen“, „daher sind die Proteste nicht überraschend und nachvollziehbar“. Wenn solche langfristigen Pläne in Deutschland ein Thema würden, würden die Dinge auch hierzulande nicht ruhig bleiben, prognostiziert der Branchenriese. In Niedersachsen, dem Bundesland mit der größten Fleischindustrie, zeichnet sich dies bereits ab. Dort beobachtet Holger Hennies, Präsident des Landesbauernverbandes, die ersten Protestaktionen. „Auch hier in Niedersachsen solidarisieren sich die Landwirte mit den niederländischen Landwirten und protestieren auch“, sagt Hennies. Die niedersächsische Landbevölkerung ruft hierzulande nicht zu Demonstrationen auf. „Uns ist wichtig: Wir lehnen jede Form von Gewalt ab. Beispielsweise ist es nicht akzeptabel, Gülle vor die Häuser von Politikern zu werfen“, sagt der Präsident des Staatsbauernhofs. Wichtig ist, dass der Verband im konstruktiven Dialog mit der Politik bleibt. Lesen Sie auch Hennies weist aber auch darauf hin, dass die jüngsten Bundesrichtlinien „unter Federführung der EU-Kommission“ „zur Ausweisung von nitratbelasteten Gebieten für uns nicht in Ordnung sind“. „Gleichzeitig“, so Hennies abschließend, „kann man die Situation in Deutschland nicht mit der in den Niederlanden vergleichen.“ Landwirte stehen vor einem Dilemma: Die Politik hat entschieden, dass weniger Umweltgifte in die Natur gelangen müssen. Ein großer Teil der Gesellschaft unterstützt dies und die meisten Landwirte wollen auch unberührte Natur, von der sie letztendlich leben. Andererseits lohnt es sich wirtschaftlich nicht, die Umwelt zu schonen, weil Händler möglichst günstig einkaufen wollen und die EU weiterhin Masse statt Qualität subventioniert. Der Frust und die Wut sind groß. Ob sie in Deutschland so durchstarten wie in den Niederlanden, wird auch von der Dialogbereitschaft der Politik abhängen.