Anna Veder
       Gesellschafts- und Stilredakteur       

Mehr als 100 Kilometer nördlich sieht man das anders. Die Stadt Würzburg hat Anfang dieser Woche das Spielen von Ballermanns Hit „Layla“ auf dem Kiliani-Volksfest verboten. Düsseldorf zog am Mittwoch nach, wo das Lied auf der größten Kirmes am Rhein, die am Freitag beginnt, nicht gespielt werden sollte. Die Entscheidung traf der Veranstalter, der Schützenverein Agios Sebastianos: Der Text entsprach nicht den Gepflogenheiten des Traditionsvereins.

Diskussion über künstlerische Freiheit und Sexismus

Laylas Geschichte ist schnell erzählt: Ein Mann mit einem breiten Lächeln besitzt ein Bordell, das „Bordell“ heißt Layla. „Sie ist hübscher, jünger, geiler, la-la-la-la, schöne Leila“, heißt es weiter. Im Musikvideo nimmt DJ Robin das Ganze unter die Lupe, findet: „Tolle Figur, blonde Haare“, und der Refrain setzt wieder ein. “Er besitzt ein Bordell und die Mutter der Hure heißt Leila (…) die schöne Leila.” Fertig. „Layla“ ist seit Monaten nicht nur auf der beliebtesten Partyinsel der Deutschen in ständiger Schnauze. Die Stadt Würzburg hat im vergangenen Jahr beschlossen, rassistische und sexistische Lieder auf Volksfesten nicht mehr zuzulassen – insbesondere das umstrittene „Donaulied“, in dem ein Vergewaltigungslied zu hören ist. Die Entscheidung der Stadt führt plötzlich zu einer Debatte über Kunstfreiheit und Sexismus.

“Jeder kann da reinspringen, auch wenn er betrunken ist”

Die Macher selbst sind derweil ahnungslos: „Zum Glück ist Layla gerade Deutschlands größtes Problem“, kommentiert DJ Robin zynisch in der Aufregung über seinen Stimmungserfolg. Außerdem postete er auf Facebook ein Foto mit seinem musikalischen Kollegen Michael Müller alias Schürze, wo der Song seinen größten Erfolg feiert: am Ballermann. Nicht einmal das DJ-Duo Robin & Schürze (l) kann den Rummel um die „Layla“-Party so recht nachvollziehen. : Bild: dpa Die aktuelle Nummer eins der deutschen Single-Charts ist, wie bei Ballermann-Hits üblich, nicht besonders tief. Rein formal sei der Song sogar diszipliniert geschrieben worden, sagt Markus Henrik, promovierter Musikwissenschaftler und auch bekannt als „Dr. Beat.“ „Die Melodie des Refrains erzeugt den gewünschten Ohrwurm. Der Song hat ein Tempo von 140 Beats pro Minute, sodass jeder springen kann, auch wenn er betrunken ist. Die inhaltliche Kritik teilt sie: „Vor dem Hintergrund der MeToo-Debatte gilt der Text natürlich als hochgradig sexistisch.“ Aber sollten Behörden deswegen Verbote aussprechen? „Kunstfreiheit ist ein hohes Gut“, sagt er. Stattdessen sollten DJs oder Publikum entscheiden, ob sie einen Song spielen, wenn sie ihn als problematisch empfinden. „Deshalb sollten sie auch viel Deutsch verbieten oder Gangsta-Rap.“ Auch Produzent und Sänger Matthias Distel, auch bekannt als Ikke Hipgold, sagt im Gespräch mit der FAZ: „Es gibt viel pikantere Songs, gerade aus der Rap-Szene. , die weniger Beachtung finden.”

25.000 Unterschriften für die Online-Petition #freelayla

Die beiden Darsteller kamen auf die Idee, Layla von einem Mann spielen zu lassen. Sie wollten also wirklich vermeiden, über Sexismus zu sprechen. „Video ist ein intelligenter Teil der Verteidigungsstrategie“, sagt Distel. Außerdem sollte es nicht so schlimm sein. Matthias Distel, Chef der Plattenfirma „Summerfield Records“ aus dem Westerwald, startete deshalb eine Online-Petition mit dem Slogan #freelayla. Bis Donnerstagnachmittag hatten mehr als 25.000 Menschen unterschrieben. Die neue Popularität ihres banalen Songs kommt dem DJ-Duo „Robin und Schürze“ nur zugute. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann hat sich auf Twitter für die Kunstfreiheit ausgesprochen: „Man muss die Texte nicht mögen, um erfolgreich zu sein. Vielleicht finden Sie sie sogar albern oder geschmacklos. Aber sie offiziell zu verbieten, finde ich zu viel.” Als der FDP-Politiker es am Dienstagabend in sein Handy tippte, war „Layla“ bereits führend bei Twitter-Trends. Für DJ Robin ist es wie die offizielle Erlaubnis, weiterzumachen. Constantin von Notz von den Grünen erinnert an Falcos „Jenny“-Debatte. In seinem Tweet versah er den Hashtag „Kunstfreiheit“. Man müsse es “in einer freien Gesellschaft aushalten”, schreibt er.

Was singst du wirklich? Wer weiß!

Musikwissenschaftler Dr. Pop findet es schade, dass die meisten Leute bei „Layla“ jetzt eher an eine Ballermann-Nummer denken als an eine Eric-Clapton-Nummer. Derselben Meinung ist der Oberbürgermeister von Duisburg, Sören Link. Auf seiner Facebook-Seite schreibt der SPD-Politiker, dass er bei „Layla“ in erster Linie an „den tollen Eric-Clapton-Song“ denke, „aber dieses heuchlerische Storno-Kultur-Gerede nervt schon ein bisschen“. Schließlich gebe es Songs mit “potenziell schlechterem Inhalt”.

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Matthias Distel scheint von dem seltsamen Gespräch überrascht. „Wir Ballermann-Künstler wissen, dass wir den Songs eine gewisse Würze verpassen müssen, damit sie funktionieren“, sagt er. Sein Label „Summerfield Records“ jedenfalls hat die Liste der beliebten Songs um einen echten Hit erweitert – wie „Johnny Däpp“ von Lorenz Büffel oder „Mallorca (Da bin ich daheim)“ von Mia Julia. All diese Songs sind weder tiefgründig noch besonders reich an Texten. Und bei zwei pro Kilometer hört die Textsicherheit sowieso nach dem Refrain auf. Was singst du wirklich? Wer weiß!