Während die meisten Frauen zwei X-Chromosomen in ihren Zellen haben, haben Männer meist nur eines davon – und ein zusätzliches Y-Chromosom, das jedoch im Laufe des Lebens durch altersbedingte Genmutationen bei der Zellteilung verloren gehen kann. Die gesundheitlichen Folgen seien vielfältig, erklärte Wissenschaftsjournalist Michael Lange im Gespräch mit Dlf: Herzkrankheiten kämen immer häufiger vor, ebenso wie Krebs und Alzheimer. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass Männer im Durchschnitt früher sterben als Frauen. Warum verlieren viele Männer im Laufe ihres Lebens ihr Y-Chromosom? Das männliche Y-Chromosom ist mit Abstand das kleinste menschliche Chromosom. Es gibt nur wenige Gene darin, die dafür sorgen, dass ein Embryo männlich wird. Fehlt das Y-Chromosom, entwickelt sich ein weiblicher Fötus. Später im Leben eines Mannes geht das Y-Chromosom oft durch Kopierfehler bei der Zellteilung verloren. Es entsteht ein Mosaik aus Y-Chromosom- und Nicht-Y-Chromosom-Zellen im Körper. Je kleiner ein Chromosom ist, desto größer ist das Risiko, dass beide Tochterzellen nach der Zellteilung kein Y haben. Der lebenslange Verlust von Y ist die häufigste Mutation beim Menschen. Dies wurde in weißen Blutkörperchen gut untersucht. Auch andere Zellen können betroffen sein. Vor allem solche, die sich häufig teilen, wie Hautzellen oder Darmepithelzellen. Wie wirkt sich der Verlust des Y-Chromosoms auf die Gesundheit aus? Der Verlust des Ypsilon-Chromosoms gilt seit langem als möglicher Hauptgrund dafür, dass Männer im Durchschnitt fünf bis sechs Jahre weniger leben als Frauen. Diese neue Studie, die jetzt Daten der UK Biobank in Großbritannien verwendet, zeigt, dass viele weiße Blutkörperchen bei älteren Männern oft kein Y-Chromosom mehr haben.Bei Männern im Alter von 60 Jahren sind etwa 20 Prozent der Zellen und bei 70-Jährigen sogar 40 Prozent betroffen -jährige Männer. Die nun vorliegenden Ergebnisse zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen dem Verlust des Y-Chromosoms und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch das Risiko für Tumorerkrankungen und Alzheimer ist erhöht. Was passiert mit Blutzellen, denen das Y-Chromosom fehlt? Um dies zu untersuchen, haben Wissenschaftlerteams in den USA und Schweden Mäuse so manipuliert, dass ihren Blutzellen das Ypsilon-Chromosom fehlt. Sie taten dies, indem sie mithilfe der Genschere Crispr/Cas gezielt genetische Veränderungen vornahmen. Als sie die Mäuse untersuchten, entdeckten sie anschließend erhebliche Schäden am Herzen. Fibrose war weit verbreitet. Das bedeutet, dass sich schädliches Bindegewebe gebildet hat – eine Art Narbengewebe, das die Funktion des betroffenen Organs stört. Dadurch steigt insbesondere die Zahl der Herzinfekte. Experimente mit Mäusen zeigen: Fehlt das Y-Chromosom, aktivieren die Tiere einen bestimmten molekularen Signalweg. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Wachstumsfaktor TGF-Beta 1. Dies führt zu Fibrose und erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Gibt es Therapieansätze, um solchen Herzschäden vorzubeugen?
Dazu muss man zunächst testen, ob den Blutzellen eines Mannes das Y-Chromosom fehlt, was relativ einfach ist. Bei Männern, die das Y nicht haben, könnte dann eine vorbeugende Behandlung der Erkrankung verstanden werden. Zum Beispiel mit Medikamenten, die Fibrose bekämpfen. Hier könnte der Wirkstoff Pirfenidon nützlich sein. Es ist zugelassen und wird gegen Lungenfibrose eingesetzt. Auch ein monoklonaler Antikörper, der den schädlichen Signalweg gezielt blockiert, wurde an Mäusen getestet. Aber es wird sicherlich noch lange dauern, bis die Behandlung beim Menschen angewendet werden kann. Gibt es eine Möglichkeit, den Verlust des Y-Chromosoms zu verhindern? Der Verlust von Y ist eine Folge des natürlichen Alterungsprozesses. Mit zunehmendem Alter wird die Zellteilung ungenauer und es kommt zu Fehlern. Dies kann nicht verhindert werden. Es sei denn, es schafft es, den Alterungsprozess direkt zu beeinflussen. Grundsätzlich ist dies möglich, zum Beispiel durch eine gesunde Lebensweise: ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung, kein Rauchen. Wenn das Y-Chromosom so wichtig ist, warum kommen Frauen dann so gut ohne es aus? Diese Frage ist noch nicht geklärt. Frauen haben anstelle des Y-Chromosoms ein zweites X-Chromosom, das als Backup im Falle von schädlichen Mutationen dient. Anscheinend funktioniert das ganz gut. Das Fehlen des Y-Chromosoms bei Frauen scheint keine nachteilige Wirkung zu haben. Denn Frauen leben länger und leiden seltener an altersbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es ist auch ohne Y-Chromosom möglich.